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Gebt uns Waffen! - Die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ostberlin

3. Weltfestspiele in Berlin 1951
(roe) Damals hie� der Ostteil der deutschen Hauptstadt noch auf Russenbefehl und darum SED-offiziell �Demokratischer Sektor von Berlin". Die Menschen im Westen der geteilten Metropole nannten die sowjetisch besetzten Stadtbezirke einfach �Ostsektor". Sie trauten der �Volksdemokratie" nicht. Aber immerhin konnte man vor dem Mauerbau 1961 noch ohne Probleme die Sektorengrenzen passieren, zu Fu�, im Taxi, per Eisenbahn oder mit U- und S-Bahn.


Die Bilder zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Im Demokratischen Sektor nun � ich ben�tze vorerst diesen Terminus, weil er mir damals korrekt schien � fand vom 5. bis 19. August 1951 ein gewaltiges Spektakel statt: Die �III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten". Wohl Hunderttausende junger Menschen aus dem �Weltfriedenslager", wie sich jener Bereich der Erde euphemistisch bezeichnete, der mehr oder minder auf die UdSSR und ihr politisches System fixiert war, str�mten zum riesigen Ereignis zusammen, das erstmals auf deutschem Boden zelebriert wurde. Auch Jungmannen und �m�dchen aus den deutschen Westzonen waren gekommen, um am gro�en Verbr�derungsfest teilzunehmen. Die meisten trugen die blauen Hemden mit dem strahlend-gelben Symbol der aufgehenden Sonne. Es war das Zeichen der �Freien Deutschen Jugend", der FDJ, der Jugendorganisation der SED, sp�ter des Staates DDR.
Die Westler hatten es nicht in allen F�llen leicht, ihr Ziel zu erreichen. Die Beh�rden im Westen versuchten, so wenige wie m�glich zu den Spielen gelangen zu lassen. Immer wieder schickte die Polizei Blauhemden oder auch zivil gekleidete Jugendliche an der Zonengrenze zur�ck in Richtung Westen. Aber die Begeisterung lie� ungez�hlte Gruppen Schleichwege �ber die Trennungslinie finden, die in jenen Jahren noch nicht sonderlich gegen Passanten �gesichert" war. Im Osten wurden die Jungen und M�del gastfreundlich aufgenommen und die �Jugendfreunde" aus den kapitalistischen Westzonen als �Friedensk�mpfer" begr��t. Ich selbst hatte kein Zonen�bertrittsproblem. Ich fuhr mit der Eisenbahn angeblich zu Verwandten im Osten, und die den Zug kontrollierenden Beamten sahen offenbar keine �Verdachtsmomente", ich k�nne einer von diesen �Jungkommunisten" sein.

Ich bemerke, da� ich viele Anf�hrungszeichen ben�tzen mu� � aber so war sie wohl, diese Zeit, eine �Zeit der Anf�hrungszeichen", die allerdings jeweils von der anderen Seite den Begriffen der Gegenseite hinzugef�gt wurden.

Und ich spreche ausdr�cklich von begeisterten jungen Menschen. Bei den Deutschen war sie leicht zu erkl�ren. Sie hatten, jedenfalls die Mehrheit unter ihnen, die am Festival teilnahmen, das Dritte Reich erlebt mit seinem rauschhaften Pathos und seiner ebenso raffinierten wie beeindruckenden Selbstdarstellungskunst. Noch waren die Lieder von Jungvolk und HJ in ihrem Ged�chtnis nicht verklungen, nur so leise geworden, da� eine sp�rbare akustische Leere verblieb. Und auch der abhanden gekommene Glauben an Volk, Reich und F�hrer verlangte bei sehr vielen nach einem Ersatz. Sie wollten glauben, sie wollten dienen, sie verlangte es nach einer �Idee", f�r die es sich zu leben lohnte, die ihrem jungen Leben Weg und Ziel vorzeichnete. Jetzt sangen sie das Lied �Bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend bau auf �"
Noch immer, wenn auch in ver�nderter Form, hatten sie die Parole verinnerlicht: �Du bist nichts, Dein Volk ist alles". Und so lautete das neue Leitwort eben: �Der Marxismus ist allm�chtig, weil er wahr ist". Der Historische und Dialektische Materialismus in der Lesart Stalins vom �Sozialismus in einem Land", bald im K�rzel �Diamat" zusammengefa�t, f�llte in variierenden Ausformungen das Vakuum. Lehrbuch war die von Josef Stalin verfa�te �Kurze Geschichte der KPdSU (B)". Und die ausl�ndischen Mit"spieler" in Ostberlin waren im Gros Mitglieder kommunistischer Jugendorganisationen oder von kommunistisch gelenkten Staatsjugenden. Auch sie wollten f�r den Sozialismus und, versteht sich, f�r den Weltfrieden �k�mpfen".

In diesen Tagen der Weltfestspiele spitzte sich die Lage in Berlin rasch und besorgniserregend zu. Mehrere Zwischenf�lle in den Westsektoren, bei denen Gruppen von Blauhemden von der Polizei oder emp�rten B�rgern angehalten, beschimpft oder geschlagen worden waren, weil sie dem Demokratischen Sektor und den Spielen zustrebten, erhitzten die Gem�ter der im Osten Versammelten. Nach einer emotional ungemein aufheizenden Kundgebung im Werner-Seelenbinder-Stadion mit �Stalin, Stalin!"-Rufen und rhythmischem Beifallsklatschen f�r Redner und Parolen zogen ungez�hlte Blauhemden durch den Ostteil der Stadt, um gegen das Geschehen im Westen zu demonstrieren.
Auf dem Alexanderplatz schlie�lich brachte eine neuerliche Meldung von angeblichen Mi�handlungen junger Weltfestspielteilnehmer in den Bezirken jenseits der Sektorengrenze das Pulverfa� zum Explodieren: �Gebt uns Waffen!" hallte ein Schrei aus der Menge, die sofort zu skandieren begann: �Waffen! Waffen! Waffen!"

Weder die Ostberliner Beh�rden noch die Sowjetadministration waren so d�mlich, diesem Begehren nachzukommen. Allerorten bem�hte man sich jetzt, die Erregung der Menge zu d�mpfen, und am n�chsten Tage war die Hitze aus dem Ballon. Die Spiele nahmen mit Sport, Musik, politischen Einlagen und jugendlicher Verbr�derung ihren gewollten Verlauf. Naja, vielleicht nicht so ganz: Es tat sich auch viel hinter den B�schen. Einmal, das nur als kleine Anmerkung, war ich an einem Tag mit vier M�dels verabredet. Ich war da wohl keine Ausnahme! Die Geburtenstatistik der Stadt Berlin konnte sp�ter einen in dieser H�he unerwarteten Bev�lkerungszuwachs vermelden.
Es ist unzweifelhaft, da� die Weltfestspiele von Berlin f�r mehrere Jahre das politische Bewu�tsein vieler junger Menschen in Berlin, der Sowjetzone und im Ausland im Sinne der SED formten und stabilisierten. Die Spiele vermittelten ein Gef�hl der Hoffnung wie der gl�ubigen Siegesgewi�heit: �Der Marxismus ist allm�chtig, weil er wahr ist!"


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  • Frank meinte:
    "irgendwelches orthografischeS oder grammatikalischeS Rumgezerre" ......
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    Lieber Frank, wer mit Steinen wirft, sollte nicht im Glashaus sitzen! Immerhin habe...
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  • Stephan Tsoucal... meinte:
    Lieber Herr Richter, sicherlich ist es ein Fehler, dass beim �bertragen des Artikels...
  • Sascha Fuhrmann meinte:
    Wow....... Na klar hat man damals in der DDR kaum etwas auszustehen gehabt, wenn...

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